Ich schlenderte durch den Beton-Dschungel, um Lebensmittel einzukaufen. Plötzlich wurde es mir bewusst. Ich war unglücklich und zwar nicht, weil ich keine Millionärin war oder meinen Lebenspartner noch nicht gefunden hatte. Ich war unglücklich, weil ich in London lebte.
Traumstadt?
Schon seit fast 3 Jahren hatte ich eine On/Off-Beziehung mit dieser aufregenden Stadt. Sie hat mir gelehrt, selbstständig zu sein. Sie war eine harte Lehrerin, kalt und bestrafte Fehler sofort. Ein bisschen wie meine Volksschullehrerin.
Zu Beginn versprach sie mir interessante Erlebnisse, unglaubliche Möglichkeiten und die Belohnungen eines schnellen Lebens. Dieses Glitzern hat mich gelockt. Ich wollte weg vom ruhigen Dorfleben und rein in das glamouröse Stadtleben.
Eine Zeit lang hat es mir auch richtig Spaß gemacht. Ich habe mich auf den Dächern der Hochhäuser wie eine Göttin gefühlt, habe tief in der Erde die stickige Luft der Underground geatmet, bin mit Schiffen die historische Themse entlanggesegelt und habe köstliches Essen der besten Restaurants gekostet. Die Suche nach Reichtum hat mich zu lehrreichen Arbeitsplätzen geführt und die Suche nach einem Zuhause zu den verschiedensten Menschen.
Doch wonach ich wirklich suchte blieb mir verborgen.
Die Stadt als Schule
„Eine Zeit lang ist London ganz aufregend, aber für immer könnte ich hier nicht leben.“ Diesen Satz habe ich in vielen Formen aus den verschiedensten Mündern gehört. Es sei einfach zu teuer, hier zu leben.
Dem stimme ich zu. Langfristig in einer Stadt wie dieser zu leben, macht nur Spaß, wenn man Geld hat. Richtig viel Geld. Nur so kann man die Stadt auch wirklich genießen. Ich dachte immer, dass ich genau das will. Bis ich eines Tages auf dem Weg in den Supermarkt war.
Der Sommer hat begonnen und der Asphalt speicherte die Wärme ab dem ersten Sonnenstrahl. Von oben, sowie von unten strahlte mir die Hitze entgegen. „Wie schön wären ein paar Bäume“, dachte ich. Plötzlich wurde mir bewusst, was ich alles gegen dieses Leben eingetauscht hatte. Nicht nur meine Familie, sondern auch die wunderschöne Natur Österreichs, meinen Frieden und die Ziele meines Herzens hatte ich zurückgelassen.
Die London Lüge
Als ich so durch die Menschenmenge blickte, die um mich herum wie ein Schwarm Bienen hitzig von A nach B lief, sah ich das wahre Gesicht dieser Stadt. Für die normalen Bürger, zu denen ich gehörte, war es ein täglicher Überlebenskampf. Astronomisch hohe Lebenskosten zwangen Menschen dazu, täglich unglaublich hart zu arbeiten. 50 Stunden Wochen waren die Regel.
Viele probieren, hier zu überleben. Zu welchem Preis? Jemand, der genug Geld hat, um in einer netten Nachbarschaft in einem sauberen Zuhause zu leben, geht an einem Touristen vorbei, für den London ein Paradies neuer Eindrücke ist. Beide übersehen den Obdachlosen, der neben ihnen am Boden sitzt und doch nur um 20 Cent bettelt. Der Kontrast zwischen Armut und Reichtum in Städten wie London ist erschreckend.
Die Stadt ist hart, sie vergibt nicht. Menschen hier sind unfreundlich, sehen immer aus, als hätten sie gerade einen schlechten Tag und würden dir nicht helfen, wenn du umkippst. Ich weiß wovon ich rede, denn genau das ist mir einmal passiert. Du wirst angestarrt, aber zur Hilfe kommt dir erst nach einer gefühlten Ewigkeit jemand mit einem Herzen, das groß genug für Erste Hilfe ist.
Das Leben eines anderen
Ich lebte das Leben eines anderen. Vielleicht das, das von mir erwartet wurde. Oder genau das, das nicht von mir erwartet wurde. Wo auch immer diese Entscheidungen herkamen, sie waren nicht die meinen. Natürlich traf ich sie selbst, aber die Motivationsgründe dahinter waren nicht meine Wahrheit. Ich wollte keine erfolgreiche Geschäftsfrau sein und ein schnelles, aufregendes Leben voll Glitzer führen. Ich wollte ein ruhiges Leben in der Natur und Arbeit nur aus dem Herzen heraus und nicht für Geld machen.
Ja, ich liebe London immer noch. Das wird sich auch nicht ändern, denn die Stadt hat unglaublich coole Dinge zu bieten. Aber in Zukunft werde ich sie nur besuchen und sie nicht mehr als Schlachtfeld meiner Kriege nutzen. London zeigte mir meinen Weg zurück zum Herzen. Ich erkannte die Wahrheit.
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