Sei ein Arschloch

Ich war immer die Person, die sofort zur Stelle war. Ich wollte jedem helfen, jeden retten, ihm seine Probleme abnehmen, Hand in Hand durch eine schwere Lebenssituation hindurchgehen.

Meine starke Empathie ließ mich die Gefühle anderer fühlen. „Ich weiß wie es ist, alleine zu sein. Darum muss ich dieser Person, die sich gerade alleine fühlt, zur Seite stehen.“ Das war mein unbewusstes Gedankenmuster. Doch dadurch hatte ich mich selbst vollkommen vergessen.

Es liegt in den Genen

Es wurde mir so vorgelebt. Besonders meine Großmutter und meine Mutter lebten so. Sie stellten sich und ihre Bedürfnisse immer hinten an. Wenn jemand ihre Hilfe brauchte, ließen sie alles stehen und liegen und gaben ihre gesamte Aufmerksamkeit, Zeit und Energie.

Ich dachte immer, das sei vorbildlich und ehrenhaft. Sie haben ein großes Herz. Wenn jeder so handelt, ist für jeden gesorgt. Oder?

Langsam erkenne ich den Fehler in diesem Denken.

Utopie =/= Realität

Es gibt leider Menschen auf dieser Welt, die diese Güte ausnutzen. In meinem Leben habe ich erkannt, dass ich durch dieses Verhalten die Bedürfnisse anderer vor meine eigenen stellte. Das gefiel manchen Menschen und sie nahmen, ohne zu geben. Dadurch war ich immer unglücklich, weil meine eigenen Bedürfnisse unerfüllt blieben. Insgeheim nahm ich es anderen dann übel, dass sie nicht das für mich taten, was ich für sie tat.

Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Du kannst es niemandem abnehmen und niemand kann es dir abnehmen.

Manchmal muss man auf nette Art und Weise „Fick dich, ich hab dir jetzt gerade nichts zu geben“ sagen. Sich selbst an erste Stelle zu platzieren ist nicht egoistisch. Es ist notwendig, um zu überleben und ein fröhliches Leben zu führen.

1€ vs 4.000€ Jacke

Wenn du dich selbst immer hinten anstellst, werden andere nicht dasselbe tun. Das kannst du nicht erwarten. Sie werden aber dich und deine Hilfe weniger schätzen.

Stell dir vor, du kaufst eine Jacke um 1€. Du wirst dich freuen, weil sie so billig war, aber wirst du sie auch schätzen? Du wirst sie wahrscheinlich auf den Boden schmeißen, dich in der Wiese auf sie setzen und sie entsorgen, wenn der Reißverschluss kaputt wird.

Jetzt stell dir vor du kaufst eine Jacke um 4.000€. Du wirst sie wahrscheinlich immer aufhängen, reinigen, auf sie aufpassen und sie bei einem Schaden reparieren. Du wirst sie schätzen.

Hilf, wo Hilfe angenommen wird

Niemand weiß, was für dich das Beste ist. Niemand kann deine Bedürfnisse und Wünsche erahnen. Du musst selbst draufkommen, was du willst und du musst es dir selbst holen. Du musst dich zuerst immer um dich selbst kümmern.

Ein großer Unterschied liegt darin, wenn jemand um deine Hilfe bittet. Wenn du anderen ständig hilfst, ohne dass diese Hilfe wirklich erwünscht ist, schenkst du deine Aufmerksamkeit, Energie und Zeit um 1€ her. Daran ist nichts ehrenhaft oder vorbildlich. Du schüttest deine Energie in einen Eimer, auf dem ein Deckel liegt.

Wenn dich jemand um Hilfe fragt und du ihm deine Güte zeigst, gibst du deine Aufmerksamkeit, Energie und Zeit um 4.000€ her. So bewirkst du auch wirklich etwas in der anderen Person.

Erkenne deinen Wert

Kennst du deinen Wert, wirst du klare Grenzen setzen. Du wirst deine Energie nicht jedem „dahergelaufenen“ schenken, weil du dich selbst und deine Zeit schätzt. Du weißt, dass du wertvoll bist und dass nicht jeder Zugriff zu deiner Energie haben darf. Das gilt auch für deine Liebsten. Du erkennst, dass deine Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die der anderen und du wirst dich darum kümmern, sie zu erfüllen. Es beginnt alles mit Selbstliebe.

Sei nicht wirklich ein Arschloch

Okay, vielleicht war der Titel ein wenig zu hart. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind trotzdem unglaublich wichtige Eigenschaften, die die Welt braucht. Ich sage nicht, dass du jetzt kompletter Narzisst werden oder andere zu deinem Vergnügen oder Vorteil ausnutzen sollst.

In deinem Leben solltest du selbst, deine Gesundheit und deine Fröhlichkeit an der ersten Stelle stehen. Gleichzeitig ist ein Gemeinschaftssinn und genereller Respekt anderen gegenüber ebenso wichtig. Auf die Balance kommt es an.

Daher: Sei ein Arschloch, manchmal.

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