In letzter Zeit reflektiere ich oft eine Seite von mir, die ich immer als meine aller größte Stärke empfand: Mein Empathie. Doch mir war nicht bewusst wie gefährlich sie war, weil sie in meiner Person mit extrem niedrigem Selbstwertgefühl gemischt war. Diese Mischung war wie ein Magnet für Narzissten, die in mir das perfekte Opfer sahen, aus dem man jegliche Lebenskraft saugen konnte und das Beste daran: Sie lies es sogar freiwillig zu!
Die erste Begegnung mit einem Narzissten
Ich erinnere mich an eine schmerzhafte Folge von Ereignissen. Es war meine erste Begegnung mit einem Narzissten. Ich war circa 13 Jahre alt und nicht besonders beliebt in der Schule. Als ruhiger Außenseiter hatte ich zwei gute Freundinnen, mit denen ich meine Zeit verbrachte, doch eines Tages hatte das beliebteste Mädchen in der Klasse ihre Augen auf mich gerichtet.
Rückblickend kann ich erkennen, dass die anderen Kinder ihr Verhalten einfach satt hatten, aber für mich war es damals wie eine Preisauszeichnung. Sie war bereits in der Pubertät fortgeschritten und trug BHs und Schminkzeug. Ich war noch ein Kind und hatte noch keine Menstruation oder romantisches Interesse an anderen Menschen.
Jedenfalls stellte sie ihre Aufmerksamkeit wie ein Geschenk Gottes dar und eines Tages, als die anderen aus der Klasse mit ihr einen Streit hatten, kam sie zu mir. Sie wollte nach der Schule gemeinsam ein RedBull trinken und quatschen. Wow, was für eine Ehre!
Ich hatte nur eine halbe Stunde Zeit, weil dann mein Bus vom Bahnhof in mein Heimatdorf fuhr. Ich erklärte ihr, dass dieser Bus nur alle zwei Stunden ging und ich ihn unbedingt erwischen musste. Sie kam aus der Stadt und konnte mit den Stadtbusen, die alle zehn Minuten kamen, jederzeit nach Hause fahren.
Wir tranken gemeinsam RedBull und redeten über die Jungs in der Schule, ihre Mutter, ihre neuen Klamotten und alles, was sie sonst noch so interessierte. Dann gingen wir langsam zum Bahnhof.
„Fährst du mit mir mit dem Stadtbus? Nachdem ich ausgestiegen bin, kannst du einfach sitzen bleiben. Der dreht sowieso eine Runde und bringt dich dann zum Bahnhof“, sagte sie. Ich blickte auf die Uhr. „Ich weiß nicht. Geht sich das in 10 Minuten aus?“, fragte ich. „Ja klar, wenn du ihn verpasst, dann ruf mich an. Ich komme dann nochmal zum Bahnhof und wir warten gemeinsam“, sagte sie und naiv vertraute ich ihr. Sie war in der Stadt aufgewachsen und kannte sich am besten mit den Busen aus.
Drei Haltestellen später stieg sie aus und der Bus drehte tatsächlich eine Runde durch die Stadt, aber es dauerte viermal so lange, wie sie mir gesagt hatte. Als ich erkannte, dass ich meinen Bus verpassen würde, rief ich sie an. Sie hob nicht ab. Ich rief sie nochmal an und sie drückte mich weg. Sie nutzte mich aus, damit sie für ein paar Minuten nicht allein sein musste. Vielleicht genoss sie es auch, dass ich ihr so leichtgläubig vertraute. Ich musste allein zwei Stunden auf den nächsten Bus warten und sie tat sie am nächsten Tag so, als wäre nichts vorgefallen.
Immer wieder das selbe
Dieses Muster wiederholte sich in meinem Leben leider viele Male, mit unterschiedlichen Personen. Später datete ich sogar einen Narzissten, der mir tiefe emotionale Wunden zufügte und mich lange Zeit anderen Menschen gegenüber misstrauisch machte. Ich entwickelte Sozialängste und konnte niemandem vertrauen.
Seit ich an meinem Selbstbewusstsein arbeite, kann ich diese Menschen schneller erkennen. Meist geben sie bereits in ihren ersten Sätzen Hinweise darauf, wie groß ihr Ego ist und ob sie sich für mich als Person und mein Wohlbefinden wirklich interessieren oder ob es nur eine wichtige Person in ihrem Leben gibt: sie selbst.
Rückblickend kann ich es nicht fassen, dass ich tatsächlich starke Schuldgefühle empfand, wenn ich den Narzissten nicht das bieten konnte, was sie forderten, nachdem sie mir bereits das letzte Hemd ausgezogen hatten und nichts, nicht mal ein nettes Wort als Entlohnung in meine Richtung warfen.
Nie. wieder.
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