Komplimente

Früher sah es so aus:

Freundin: „Du hast heute so schöne Haare.“

Ich: „Danke. Du hast auch schöne Haare und ich liebe deine Augen. Generell bist du so eine tolle Freundin.“

Was siehst du in meiner Antwort? Vielleicht denkst du, es sei eine angemessene Reaktion auf so nette Worte.

Doch ich weiß, was wirklich dahintersteckte: Tiefverwurzelte Angst und niedriges Selbstbewusstsein. Das Kompliment löste in mir keine Liebe oder Wertschätzung aus.

Ich fühlte Zweifel und fragte mich, was wohl die Hintergründe der Aussage sind. Warum sagt sie es genau in diesem Moment? Forensisch analysierte ich die Tonlage und die Mimik meiner Freundin. Was wollte sie mit diesen Worten bezwecken?

Immerhin war es nicht möglich, dass das Komplimente ohne Hintergedanken ausgesprochen wurde, es war ja eine Lüge. Meine Haare sind nicht schön. Generell könnte man nichts Gutes über mich sagen. Tiefe Unsicherheit und Selbsthass plagten mich unterbewusst.

Meine Antwort war ein talentierter Weg, die Aufmerksamkeit von mir auf mein Gegenüber zu lenken. Dabei waren die Komplimente, die ich wie als Erwiderung einer interpretierten Kampfansage machte, kaum authentisch. Wie konnte ich wahre Wertschätzung fühlen und äußern, während ich in meiner inneren verzehrten Realität gefangen war?

Heute bleiben nur mehr Erinnerungen an diese Person, die ich mal war.

Nach jahrelanger inneren Arbeit habe ich mich von diesen Mustern der Unsicherheit, Angst und Selbstablehnung gehäutet. Zurück blieb die Wahrheit: Ich war gut, wie ich bin und andere Menschen können das auch so sehen. Ich nehme Komplimente als Beweis des Guten im Leben an.

Das sieht so aus:

Freundin: „Du hast heute so schöne Haare.“

Ich: „Danke :)“

Was denkst du?

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