Kommt ein Reh geflogen

Gestern hatte ich nach 9 sicheren Jahren auf der Straße meinen ersten Unfall.

Auf der Landstraße am Nachhauseweg blendete mich die untergehende Sonne selbst mit dunkler Brille stark.

Die Erhöhung, die ich mit meinem kleinen Hyundai bezwingen wollte, ist eine echte Herausforderung für die 70 PS. Im vierten Gang und mit dem Fuß bis zum Anschlag im Gaspedal, konzentrierte ich mich auf die Straße und den Gegenverkehr.

Plötzlich sah ich in der linken oberen Ecke meiner Windschutzscheibe ein Reh in der Luft, das die selbe Farbe wie die umliegenden Felder hatte. Im selben Moment zersplitterte das Glas und ich atmete vor Schreck scharf ein.

Geräusche wurden nicht in meinen Erinnerungen gespeichert, nur der Gedanke: Fuck.

Zum Stehen kommen, Warnblinkanlage ein, Handbremse hoch.

Die Fahrertür war verbogen und ließ sich nur mit Mühe öffnen.

Sofort spuckte ich das Glas in meinem Mund aus, zog Jacke und Schuhe aus und schüttelte mich von den feinen Splittern frei.

Einige Menschen blieben stehen, einer rief die Polizei an. Der erste Schock galt nicht meinem Auto, das sich an mehreren Stellen in unterschiedliche Richtungen bog.

Mein Blick war fixiert auf das ausgewachsene Reh, das reglos am Straßenrand lag.

Der Jäger kam wortlos zur Unfallstelle und trug es zu seinem Auto. Zum ersten Mal seit der Kollision drückte es mir eine Träne aus dem Auge. Es war sofort tot.

„Sei froh, dass dir nichts passiert ist“ und „Das Reh ist vollkommen egal“, waren die Worte meiner geliebten Menschen. Ich verstehe, was sie damit meinen, aber ich fühlte es in dem Moment nicht.

Nachdem der Polizeibericht aufgenommen wurde, mein Vater mich abgeholt hatte und das Auto dem Abschleppdienst übergeben war, blieb nur Dankbarkeit für das Leben und die Unversehrtheit.

Dennoch lag ich abends wach und weinte. „Es tut mir so leid“, sagte ich in die Dunkelheit, „Ich habe dich nicht gesehen.“

3 Antworten auf „Kommt ein Reh geflogen

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