Wenn Arroganz eine Person wäre, sehe sie so aus: Ein Mann mit schwarzen, etwas längeren Haaren, einem gepflegtem Bart und einem dunkelblauen Anzug. Er studierte Medizin und ist jetzt praktizierender Arzt. Darauf ist seine Mutter sehr stolz.
Ihm liegt die Welt zu Füßen und er erwartet natürlich auch nichts anderes. Als Kind hat man ihm immer gesagt: „Du bist der Klügste im Raum und die anderen liegen falsch, vergiss das nicht.“ Er hat es nicht vergessen.
Seine Arroganz zeigt er nicht durch unkontrollierte Emotionsausbrüche. Das wäre unintelligent. Er hat seine Gefühle gut unter Kontrolle und findet jeden, der tiefe Gefühle lebt, ziemlich primitiv.
Er zeigt sich lieber souverän. Man sieht ihn im Hintergrund wartend, bis sich jemand verspricht oder eine Statistik falsch ins Gedächtnis ruft. Dann ist seine Zeit gekommen. „Ähm, das ist aber falsch. In Wahrheit…“ Sein zufriedener Gesichtsausdruck zeigt, wie gerne er sich überlegen fühlt. Ich verachte seine Verachtung.
Es gibt jedoch eine Sache, die auch ihn trotz seiner Souveränität aus der Reserve lockt.
Ein mutiger Junge tritt ihm vor die Füße. Er hat keinen Respekt, keine Nerven für die arrogante Art. Er versucht nicht, sein Gesicht zu bewahren und entwaffnet die Arroganz mit simplen Worten der Beleidigung.
Plötzlich springt die Programmierung an. „Wieso traut der sich, so mit mir zu reden? Meine Mutter sagte doch immer, dass niemand sich mit mir anlegen darf! Das gibt es doch nicht! Kennt der etwa seinen Platz nicht?“
Es gibt nur eine Person, die die empfundene Hierarchie wiederherstellen kann.
„Mama, hörst du wie der mit mir spricht?“ und die Furie der Kindheit steht wie ein Phoenix auf. Die Mamabärin, die den Stolz ihres Sohnes verteidigen muss. Ich beobachte das gesamte Schauspiel übrigens aus der Sicherheit der zweiten Reihe, aber in diesem Akt spüre auch ich die Hitze der Wut in meinem Gesicht.
Sie wird zum Monster, das stapfend alles in den Boden drückt, das ihren Engel nicht als Gottes Geschenk empfindet. Sie ist die Wurzel des Problems. Sie ist Meisterin der Manipulation und weiß genau, dass in solchen Situationen Arroganz dich nicht weiterbringt.
Du musst das Opfer sein und jeder muss es sehen. So beginnt sie ihren Plan: Tuschelnd lenkt sie die Zuschauer in ihre Richtung: „Hast du gehört, was der gerade zu meinem Sohn gesagt hat? Das ist doch eine Frechheit, oder?“
Mit den Zuschauern auf ihrer Seite tritt sie in den Boxring. Aus der Furie wird eine kleine, alte Dame. Zerbrechlich wackelt sie auf den Jungen zu. „Aua! Du tust mir so weh, kannst du es nicht sehen? Entschuldige dich und du erfährst meine Gnade!“
Zu ihrer Überraschung lässt sich der Junge nicht auf ihr Schauspiel ein. Er hat keine Lust, an seinen zugewiesenen Platz am Ende der Hierarchie zurückzukehren. Er hat seine Stärke gefunden, auch wenn er sie noch schwer kontrollieren kann.
Die Arroganz, die fest auf seine Mutter zählte, kann es kaum fassen. Das kosmische Gleichgewicht seiner Welt wurde gestört. Jetzt gilt es, den Schaden zu reparieren. „Ich bin so arm! Habt Mitleid mit mir!“, höre ich hinter seinen Sätzen.
Ich halte die Heuchlerei nicht mehr aus und stehe auf. Das Schauspiel ist zu Ende.
Was denkst du?