!TW: Gewalt, Mentale Krankheit!
Ich starre sie an. „Das hat sie gerade nicht wirklich gesagt, oder?“, denke ich. Meine nächste Reaktion sollte ehrlich sein: Ich bin ehrlich wütend. Das muss ich sie spüren lassen, sonst überschreitet sie immer wieder meine Grenzen.
Doch Wut und Ärger sind Emotionen der Zerstörung. Ich darf sie mein Handeln nicht bestimmen lassen.
Wenn ich nichts sage, behalte ich meinen inneren Frieden. Warte mal. Mein innerer Frieden ist bereits fort. Mein Inneres bebt. Ein Kampf tut sich in mir auf. Ich schüttle den Kopf. Sie sieht mich an, als wäre ich verrückt. Worauf wartet sie?
Eine Reaktion, merke ich erst jetzt. Darauf wartet sie. Die kleine Welt, die nur mir gehört, wird kühler.
Der Teil von mir, der immer ruhig ist, schaltet sich ein. Er versetzt mich in den Beobachter-Modus. Meine Schultern entspannen sich und meine Augenbrauen nehmen wieder ihren gewohnten Platz in meinem Gesicht ein.
Ich sehe sie an. Sie bebt – wie ich vor wenigen Sekunden. Warum?
Die Wut in ihrem Inneren kann nicht zurückgehalten werden. Sie ist schwach.
Jeden Morgen versucht sie meinen eigenen inneren Teufel heraus zu kitzeln. Sie weiß genau, welche Worte sie in welchem Ton sagen muss, um zu ihm durchzukommen. Jedes Mal reagiert er mit dem, das ihm möglich ist. Ich habe ihn in einem Käfig gehalten, um Zerstörung zu vermeiden.
Doch jede Beleidigung lockt ihn aus seinem Versteck. Jeder passiv-aggressive Kommentar über meine Leistungen oder mein Aussehen weckt seine Aufmerksamkeit und jeder abwertende Blick entflammt seine Wut.
Ich kann nachgeben und ihm die Kontrolle überlassen. Seine Träume schwirren in meinem Kopf. Soll ich mal hinhören? Neugierig bin ich schon. „Mit meiner Hilfe wirst du frei“, sagt er.
Meine Augen richten sich zur Küchentür. Er weiß ganz genau, dass dort ein Messer liegt. Er weiß ganz genau, dass man damit Rache ausüben kann.
Ich sehe die Szenen, doch noch viel mehr. Was er nicht sehen kann: die Konsequenzen.
Sie sieht mich immer noch an, unwissend welche Gedanken mir die Wut, die sie heraufbeschwört, einbringt.
Lasse ich sie wieder damit davonkommen?
„Sie wird nicht damit aufhören“, sagt der kleine rote Teufel namens Wut. Er erinnert mich an die unzähligen Momente der letzten Jahre, in denen sie mich schlecht dastehen ließ. Sie verbreitete Lügen über mich, nur um Spaß zu haben. Diese Bitch!
Sie lächelt siegreich und dreht mir den Rücken zu, um den Raum zu verlassen. Ein einziger ihrer arroganten und abwertenden Blicke reicht. Dieses Mal werde ich mich selbst verteidigen. Ich werde für mich einstehen und meine Grenzen aufzeigen.
Viel zu lange schon hat sie mich klein gehalten, hat sie mich verspottet, hat sie mich verarscht! Wie habe ich das so lange akzeptiert? Sie ist ein Monster, das anderen Menschen nur schadet! Ich hasse sie!
Die Gefühle schwappen über den Beobachter, der sich nicht über Wasser halten kann. Er wird einfach mitgenommen von der unaufhaltsamen Welle, die wie ein Tsunami durch meinen Kopf rauscht.
Ich stehe auf und gehe mit schnellen Schritten auf sie zu. „Hey!“, sage ich und packe ihre dunklen Haare, die zu einem Zopf gebunden sind. „Du redest nie wieder so mit mir, hörst du? Ich lasse mir das nicht mehr gefallen!“
Ich ziehe ihren Kopf ruckartig nach hinten. Sie verliert das Gleichgewicht und fällt zu Boden. Es gefällt mir. Sie so erschrocken und hilflos zu sehen bringt mir meinen Frieden zurück. „Was soll das?“, fragt sie ängstlich. Sie hätte nie damit gerechnet, dass ich mich jemals wehren würde. Ich war immer der perfekte Boxsack für sie.
„Halt den Mund!“, schreie ich. Es tut gut, einmal in meinem Leben die Überhand zu haben. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, aber es reicht mir nicht. Ich will, dass sich ihre Erschrockenheit steigert. Sie soll Angst vor mir haben, damit sie mich ab jetzt in Ruhe lässt. Sie soll Panik spüren, sobald ich den Raum betrete.
Ich packe wieder ihre Haare und ziehe sie zum Tisch. Schleppend folgt ihr Körper. „Was soll das? Bist du verrückt geworden?“ Diese Worte hat mein Teufel sich gewünscht. Es ist für ihn wie eine Erlaubnis. Ich spüre eine Kraft wie nie zuvor. Ich fühle mich mächtig.
Sie versucht, aufzustehen. Ich ziehe ihren Kopf in die Höhe und mit einer Wucht, die ich noch nie in meinem Leben freigesetzt habe, schlage ich ihn gegen die Tischkante.
Ihr Körper, nun leer von jeglicher Emotion, fällt wie ein Sonntagsbraten auf den Boden. Ich sehe dieselbe Farbe, die mein kleiner Helfer hat, wie sie sich auf dem Boden verteilt. Ich kann mir nicht helfen, ich muss lächeln. Nie wieder wird sie mich demütigen. Dieses Mal habe ich nicht nachgegeben.
Was denkst du?