Ich denke zurück an die Tage, die ich horizontal verbrachte.
Sobald ich meine Augen öffnete ging es schon los. Mein Kopf redete mir allerlei Dinge ein. Dunkle Dinge. Dinge, über die niemand sprechen möchte. Dinge, über die es sich schwer sprechen lässt. Die scheinbar niemand versteht.
Ärzte der Persönlichkeitsforschung hätten diese Dinge bestimmt verstanden. Sie hätten es Depression genannt oder vielleicht auch Persönlichkeitsstörung. Sie hätten mir Tabletten verschrieben und mit mir über meine Kindheit gesprochen.
Doch ich habe nie einen angerufen. Ich habe einfach wieder den ganzen Tag horizontal an mir vorbeiziehen lassen. Um die Dinge zu ertragen, habe ich mir einen reingezogen. Und eine Stunde später noch einen. Und eine Stunde später… bis ich nichts mehr fühlte.
Meine Nahrung bestand aus Solettis, die ich offen am Boden fand und hartem Brot, das noch von letzter Woche in der Dose lag. Wenn ich am Spiegel vorbeiging, sah ich rote, müde Augen, Mundwinkel, die zum Boden zeigten und Haare, die seit einer Woche kein Wasser mehr gesehen hatten.
Vertikal betrachtet wirkt es absurd. Doch horizontal verliert man den Blick nach vorne. Man vergisst, dass man lachen kann, dass es Lachen überhaupt gibt. Gute Gefühle wirken wie eine utopische Erfindung und bessere Tage sind aus den Erinnerungen gelöscht.
Das lachende Kind, das man mal war, wirkt so weit weg. Es ist, als stehe man an dessen Grab, doch wann hat nochmal das Begräbnis stattgefunden? Der dunkle Nebel verschluckt absolut alles. Er lässt einen nicht weiter als das eigene Leid sehen.
Hätte ich mich doch nur aufgesetzt. Es hätte meinen Blick verändert. Stattdessen lag ich auch an diesem Tag wieder horizontal – jahrelang. Solang, bis ich den Mut fand. Den Mut, einen Anruf zu tätigen, um Tabletten zu nehmen und über meine Kindheit zu sprechen.
Was denkst du?