Letzte Nacht

Der Schlüssel, den ich als Kind mit Nagellack mit bunten Streifen verziert habe, steckt immer noch im Schloss. Oft habe ich ihn gedreht, um mich vor der Welt zu verstecken.

Mein ganzes Leben liegt in diesem Zimmer. Hier wuchs ich auf, hier weinte ich, hier lebten alle meine Haustiere, hier hielt ich 1/3 meines Lebens die Augen geschlossen, hier malte ich, hier las ich, hier hatte ich das erste Mal Sex.

Die Löcher in den Wänden zeugen von der persönlichen Entwicklung, die hinter mir liegt, genauso wie morgen dieses Zimmer hinter mir liegen wird.

Ich erinnere mich an das Kind, das hier nachts die Möbel verrückte und dabei Michael Jackson aus dem CD Player hörte. Das aus Mehl, Milch und Eiern provisorisch einen Teig mischte und ihn dann tagelang hinter einem Kasten vor der Mutter versteckte, bis der Geruch nicht mehr zu ignorieren war. Das weinend auf den Vater wartete, der ihm nach der Arbeit ein Überraschungsei brachte.

Der Teenager, der vor der offenen Balkontür etwas Gras rauchte. Der auf die Wand hinter die Tür ein riesiges Peace-Zeichen malte. Der über die Leiter vom Balkon entwischte und das erste Mal Alkohol probierte. Der mit seiner Freundin vom Stiefvater Zigaretten klaute. Der hier seine Hausaufgaben nicht machte. Der eine Schachtel Schmerztabletten in sich hineinwarf und verblüfft die ausbleibende Wirkung beobachtete.

Hätte es sie nicht gegeben, wo wäre ich dann…

Die Erwachsene, die von hier aus die langen Reisen plante. Die sich an ihre Liebe für Worte erinnerte. Die hier mit dem kleinen Bruder spielte. Die träumte und träumte von einem anderen Leben, das morgen beginnt. Tatsächlich und wahrhaftig beginnt.

Die Vorhänge muss ich noch runter reißen, das Buch auf dem Nachttisch gehört noch eingepackt. Die Schuhe, den Staubsauger, die Zahnbürste… Mein Leben in Kartons sortiert.

Solange ich den Blick nicht zu lange nach hinten richte, wird alles gut.

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