Das Haus auf der anderen Seite

Vom Küchenfenster aus habe ich einen direkten Blick in das Schlafzimmer der Nachbarin. Ein Körper liegt im Bett und hat das Smartphone in der Hand.

Es ist die Tochter der Anwältin, der das Haus gehört. Das sagt zumindest meine Arbeitskollegin.

Diese kommt in die Küche und ich schaue schnell wieder auf den dreckigen Kochtopf, der mit meiner Hand in der Spüle liegt.

Wenn ich Frühdienst habe und mir um 06:00 morgens einen Tee zubereite, brennt im Haus auf der anderen Seite längst das Licht.

Am Nachmittag sehe ich die Mutter, wie sie im Zimmer ihrer Tochter staubsaugt. Es ist minimalistisch eingerichtet. Im teuersten Viertel der Stadt darf ein Pool im Garten natürlich nicht fehlen.

Die bodentiefen Fenster erlauben einen Blick vom Hügel über die gesamte Stadt und mir einen Blick auf das Leben in der Villa.

Daneben weitere Supervillen, aber in keine habe ich so einen Einblick wie in diese.

Ich frage mich, wieviel Geld sie wohl haben. „Ich würde auch lieber dort drüben im weichen Bett liegen, als hier arbeiten zu müssen“, denke ich mit einem Gefühl, das sich mit Neid vergleichen lässt.

Ich kann mir nicht helfen, meine Blicke schweifen immer wieder in das Haus auf der anderen Seite. Wo ist der Vater? Sind die beiden Frauen glücklich? Geht die Tochter noch zur Schule? Bekommt sie Geld von der Mutter? Hat diese überhaupt Zeit für ihre Tochter?

Doch die häufigste Frage von allen: Was muss ich tun, um auch dorthin zu kommen?

Ich lasse mir mein Glück von Vergleichen rauben. Male mir Leben aus, die nur in der Fantasie existieren.

„Kannst du mal kommen?“, höre ich aus dem anderen Raum. Zeit, in meine Realität zurückzukehren.

Was denkst du?

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