Die (halbwahre) Biografie meiner Katze „Klani“

„Miau.“ Sie stolziert hinter der schweren Metalltür auf und ab. Mehrere Menschen waren hier, um sie zu streicheln. Niemand aber steckte sie in eine kleine Plastikbox, die für Tierheimbewohner Freiheit symbolisiert.

Wieder öffnet sich die silberne Tür. Ein kleines Mädchen mit kurzen, braunen Locken und funkelnden Augen stürzt herein. Alle anderen Katzen erschrecken, aber sie nicht. Hinter dem Mädchen eine Frau mit roten, glatten Haaren.

Beide streicheln das Kätzchen, wo es am liebsten gestreichelt wird. Es streckt sich, um sein schönes dreifarbiges Fell zu zeigen. Es umspielt die gebenden Hände, um zu beweisen, dass sie die Richtige ist. „Nehmt mich!“, steht in ihren Augen.

„Ich möchte die!“, sagt das lockige Kind und hebt das Kätzchen hoch. Die Mutter kann den liebevollen Blicken der Tochter und dem Felltier nichts entgegenbringen. Es ist beschlossene Sache.

Sie kommt in eine Plastikbox, in der eine weiche Decke liegt. Sie hat keine Ahnung, was sie erwartet.

Die Autofahrt war furchterregend und das Haus ist groß. Sie hinterfragt den Traum der Adoption, vergisst aber bei jeder Streicheleinheit und jedem Leckerbissen die Sorgen sofort. Hier muss sie die Schüssel mit nur einer anderen Katze teilen – Lauser.

Er ist ein alter, schwarz-weißer Kater. Ein Veteran, wenn es um Tierheimbesuche und Adoption geht. Weil er gerne neben die Kiste auf den Vorhang, den Teppich oder die Schuhe pinkelt, wurde er bereits unzählige Male wieder zurückgegeben.

„Diese Menschen hier sind anders. Sie haben Verständnis für meine Angst. Sie beruhigen mich. Ich glaube, hier werde ich alt“, erklärt er dem jungen Kätzchen.

Das lockige Kind hat einen Bruder, der gleichgroß ist wie sie. Sie haben dasselbe Haar, dieselben Sommersprossen im Gesicht, dieselbe Nase. Noch nie hat das Kätzchen Menschen gesehen, die sich so ähnlich sehen.

Die Monate vergehen und die Dreifarbige wurde ein Teil der Familie. „Füttere die Kleine“, sagt die Mutter zu dem Vater, der seufzt. „Wo ist die Kleine?“, fragt der Bruder und die Schwester führt ihn ins Wohnzimmer.

Sie steckte das Kätzchen unter das Regal und stellte Bücher rundherum. Es gab kein Entkommen. Es fühlte sich eingesperrt und jeder Fluchtversuch wurde von den Kindern sofort blockiert.

„Schau Mama, wir haben ein Schloss für die Kleine gebaut!“, sagt der Junge stolz und versteht nicht, warum die Mutter schon wieder schimpft.

Ein Buch fällt um und das Kätzchen läuft so schnell es kann in ein anderes Zimmer. Es versteckt sich unter einem Regal, diesmal freiwillig.

Am nächsten Tag gibt das Mädchen dem Kätzchen ein paar Leckerlis und entschuldigt sich bei ihm. „Du bist doch meine beste Freundin“, sagt sie und kuschelt sich in das weiche Fell.

Die Familie sieht dem Kätzchen zu, wie es aufgeregt und energiegeladen auf die Bäume klettert und rasend schnell wieder runterkommt, um einem Vogel nachzujagen.

Fast jeden Tag begleitet das Kätzchen das junge Mädchen in die Schule. Bis zum Berg geht sie, verabschiedet sich dann und sieht zu, wie das Kind den Berg hinunter zum Schulgebäude geht. „Danke, dass du mich begleitest“, sagt das Mädchen eines Morgens.
„Du bist doch meine beste Freundin“, denkt das Kätzchen stolz.

Fast zwanzig Jahre später war Lauser schon lange verstorben – er war ja schon ein alter Herr, als das Kätzchen adoptiert wurde.

Es gab auch bereits eine andere zweite Katze im Haus – Emma. Eine dicke, hauptsächlich weiße Katze mit Lungenproblemen. „Endlich habe ich einen Platz, an dem ich alt werden darf“, sagte Emma oft zu der Kleinen, deren Name sich im Laufe der Zeit zu „Klani“ wandelte.

Eines Tages kollabierte ein Lungenflügel der dicken Katze, die ihre Tage auf einem Sessel am Esstisch verbrachte und kam nicht mehr vom Tierarzt nach Hause.

Seitdem ist Klani die Einzige mit Fell im Haus, wenn man die Rückenbehaarung des Stiefvaters außen vor lässt. Sie ist selbst eine alte Dame geworden. Ihre Hüften tun beim Gehen weh, sie hat hohen Blutdruck, ist taub und leidet vermutlich unter Demenz.

Oft miaut sie ohne Grund, vielleicht einfach, um auf das Leiden aufmerksam zu machen. Doch für den Bluthochdruck verschrieb man Tabletten, für die schmerzenden Hüften stellte man Treppchen auf und wegen dem Schreien steckte man sie nachts in einen anderen Teil des Hauses. Solange sie Streicheleinheiten bekommt, ist die Katze allerdings zufrieden.

Das Mädchen ist zu einer Frau geworden. Spielen tun die beiden nur selten. Sie erzählen sich gegenseitig ihre Sorgen, teilen ihr Leid und ihre Freude und versprechen sich, füreinander da zu sein.

„So ist das Altwerden“, denkt Klani und schmiegt sich an die Haut der Frau. Die Tage sind langsamer und einsamer geworden. Die anderen Familienmitglieder interessieren sich nur noch kaum für das damals so beliebte Kätzchen.

Ein 5-jähriger Nachzügler ist der Katze zu grob, zu wild, zu laut und zu rücksichtslos. Er hat die Kraft der Stille noch nicht gelernt.

So liegt die Katze jeden Tag draußen im Strauch, wo sie von allen in Ruhe gelassen wird. Sie genießt das Zwitschern der Vögel, hinter denen sie schon lange nicht mehr läuft und die Sonnenstrahlen auf ihrem Fell, die sie wärmen.

Eines Tages betritt sie mit dem Mädchen die Praxis mit einem Stahltisch und einem Schrank voller Medikamente. Der Blutdruck wird gemessen. Ein Röntgenbild gemacht. Sie hat Krebs im Magen. „Wir können eine schmerzhafte Behandlung machen, aber alte Katzen leiden mehr, als man ihnen damit Gutes tut.“

Klani schnurrt, um die Tränen des Mädchens zu heilen. Früher funktionierte das immer gut. Heute wirkt es kaum.

An diesem Tag verlässt sie die Praxis in derselben Plastikbox, in der ihr neues Leben begonnen hat.

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