Schweiß

Ist es okay so, wie ich sitze? Soll ich meine Füße lieber nicht überkreuzen, weil ich dann zu sexy wirke? Wenn ich meine Beine nebeneinanderstelle, dann wirkt das aber sicher zu maskulin. Soll ich mich nach vorne lehnen, um Interesse zu zeigen? Nein, ich lehne mich zurück. Dann wirke ich entspannt.

„Und Lena, wie geht es deiner Mutter?“, fragt er. Kleine, durchsichtige Schweißperlen bilden sich an meinen Händen.

Sei jetzt nicht zu egoistisch. Er fragt nach deiner Mutter und nicht nach deinen Gefühlen.

„Ja, ihr geht es schon wieder besser“, antworte ich.

Mein Körper wird immer wärmer.

Am besten drücke ich meine Arme gegen meinen Brustkorb. Dann sieht er die Schweißflecken unter meinen Achseln nicht.

„Das freut mich“, sagt er, „und wie geht es dir damit?“

Scheiße. Mir geht’s scheiße.

Ich spüre, wie meine Fußsohlen meine Socken befeuchten.

„Mir geht’s gut.“

Diese Aufmerksamkeit ist so unangenehm.

„Wie geht es dir denn?“, frage ich.

Ablenken.

„Mir geht’s auch ganz gut, danke. Gestern in der Arbeit habe ich…“

Gut, es funktioniert. Jetzt muss ich nur zuhören. Starre ich zu viel? Soll ich jetzt meine Körperhaltung ändern, um mehr Interesse zu zeigen? Hoffentlich versteht er es dann nicht falsch.

Meine Handflächen sind nicht feucht, sondern nass. Ich wische sie an der Hose ab.

„…und mein Chef hat mich dafür gelobt.“

„Cool“, sage ich.

Cool? Wieso habe ich das gesagt und warum genau in diesem Ton? Er denkt jetzt bestimmt, ich finde seine Geschichte nicht interessant.

„Ich muss jetzt wirklich los“, sage ich und stürme zur Haustür. Im Spiegel sehr ich, dass die Schweißflecken unter meinen Armen zu Tellern gewachsen sind. Meine dünnen Arme konnte die nicht mehr verstecken.

Er denkt bestimmt, ich sei ekelig. Ich bin ekelig. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich hätte früher gehen sollen. Oder mich einfach entspannen. Ich hätte garnicht herkommen sollen.

Auf der Straße atme ich tief durch.

Der Schweiß beginnt zu trocknen.

„Was für eine nette Person“, denkt er und schließt die Tür hinter sich, „aber sie wirkt etwas schüchtern.“

Was denkst du?

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑